Brüsseler Tagebuch

 

Nach der Weltumrundung mit dem Tagebuch eines Windreisenden nun die Innenansichten aus dem Zentrum Europas, literarische Nahaufnahmen des Brüsseler Alltags, zwischen Parlamentariern und Hip-Hoppern, Taras Boulba und Leopold II.

Vom islamistischen Terror bis zur Pandemie: Fünf Jahre lang hat Volkmar Mühleis die europäische Hauptstadt erkundet, mit Beobachtungen im Straßenleben, Beschreibungen wie Wahrnehmungs-skizzen, spontan, genau, frei assoziierend. Der deutsch-belgische Autor zeigt Brüssel abseits der Schlagzeilen und Nachrichten, er berichtet nicht, öffnet vielmehr den Blick, auf intime, vertraute Weise, um die Stadt immer wieder neu und anders zu entdecken. Nachdem sein Tagebuch eines Windreisenden eine Reise um die Welt unter modernsten Vorzeichen schilderte, taucht er mit dem Brüsseler Tagebuch in das Herz Europas ein, mit seiner Vielsprachigkeit und kulturellen Vielfalt, der kolonialen Vergangenheit und surrealistischen Tradition, die bis heute nachwirken. Was den einen ein Inbegriff übertriebener Bürokratie und den anderen ein chaotisches Abbild der belgischen Gemengelage sein mag, entpuppt sich in den literarisch gezeichneten Bildern als ein schillerndes Vexierspiel des Fremden im Eigenen, Eigenen im Fremden.

Brüsseler Tagebuch

Passagen Verlag, Wien, 2022

112 Seiten kosten 14 Euro

 

 

 

Live im Gespräch mit Herbert Gnauer von Radio Orange, Wien, am 5. Juni 2023:

Volkmar Mühleis: Brüsseler Tagebuch | cba – cultural broadcasting archive (fro.at)

Buchhandlung Gutenberg, Brüssel
„Es stimmt ja, ‚Brüsseler Spitzen‘ sind ein bedenklich gängiger Begriff, und doch drängt er sich mir auf beim Gang durch Volkmar Mühleis’ ‚Brüsseler Tagebuch‘, einer Sammlung flüchtiger Eindrücke aus jener Stadt, in der der Autor seit einer ganzen Reihe von Jahren lebt. ‚Spitzen‘ also, weil die überwiegend kurzen Skizzen ein lockeres Netz bilden, nicht allzu straff geknüpft, so dass Raum für das ‚Dazwischen‘ bleibt, sie sich luftig verweben jenseits strenger Richtungsvorgaben. Denn lesen lassen sich die Miniaturen in loser Form, man kann springen, nach vorne, nach hinten oder folgt eben doch dem Gang der Seiten. Brüssel: Vom Bahnhof aus gesehen eine triste Stadt, trister vielleicht noch als viele andere Städte. Grau: schiefergrau, braungrau, tiefgrau (gibt es diese Farbe? In Brüssel auf jeden Fall), dazu die ebenfalls grauen Kneipen, der Alkohol, der Moder, die Depression. Die Innenstadt aber glänzend! Der Grote Markt, die barocken Fassaden, die türkisblauen Figuren auf den Dächern: Wunder von Schönheit. Beides klingt an in Mühleis‘ Notizen: die Anmut und der Dreck, die Eleganz und die Depression, das Türkis und das Graue. Mühelos steht es nebeneinander, meist nicht durch Absätze getrennt, sondern vereint innerhalb der einzelnen Passagen. Jenseits allen Konkreten aber strahlt der Text, die Textur, die flirrende Leichtigkeit des Stils.“ Kersten Knipp