Im Januar 1997 besuchte ich in Köln die Ausstellung Sinnenfinsternis, ein Projekt von sehenden und blinden Künstlern, das im Stockdunklen präsentiert wurde. Ich streifte mit meinen Händen durch die Ausstellung, tastete an den Skulpturen und Installationen entlang und ertappte mich dabei, wie ich bei einer Skulptur ständig nach einer erkennbaren Form suchte, bis ich dachte, es wird sich wahrscheinlich um ein abstraktes Werk handeln! Ich sollte einen Bericht über das Projekt schreiben, für die dpa, und überlegte, welche Sprache wohl Kunstwerke bräuchten, die nicht zu sehen sind? Und wie soll man sie beurteilen, wenn das Sehen nicht zählt? Nun hatte ich also schon einige Jahre Kunstgeschichte studiert, doch hier fehlten mir sogleich die Begriffe. Und damit eröffnete sich ein eigenes Feld in der Kunstbetrachtung, sie nämlich nicht länger vom Sehen allein her zu begreifen, sondern mit allen Sinnen. Bis 2003 arbeitete ich theoretisch an dem Thema, mit der Studie Kunst im Sehverlust als Abschluss. Von 2004 bis 2006 konnte ich diese Überlegungen dann mit blinden Kunstliebhabern vertiefen, während unserer gemeinsamen Besuche im Museum für Schöne Künste in Brüssel.
Kunst im Sehverlust wurde 2005 von Bernhard Waldenfels im Wilhelm Fink Verlag herausgegeben, mit 124 s/w-Abbildungen auf 295 Seiten. Das Buch ist über den Verlag erhältlich.